Franz Kafka gehört nicht gerade zu meinen Lieblingsautoren. Dass er ungeliebt ist erkennt man schnell am Buch, das aussieht, als wäre es neu. Nicht ein Eselsohr ziert die obere Ecke einer Seite, kein Strich eines Bleistiftes, der eine besonders lesenswerte Passage markiert, ist zu sehen. Trotzdem greife ich manchmal nach dem Band mit seinen Werken, lese darin und fühle mich direkt in seine Erzählungen hineinversetzt. Ein von ihm niedergeschriebener Moment nimmt mich besonders ein. „Zerstreutes Hinausschaun“ beschreibt, wie er an einem Fenster steht, die Wange an die Klinke legt - die vermutlich seine Wange kühlt - und dabei eine Szenerie beobachtet, in der der Schatten eines Mannes ein Mädchen streift und deren Gesicht sich erhellt, nachdem der Schatten vorüber ist. Eine simple Szene, alltäglich, und doch niedergeschrieben. Allein dafür verdient Kafka meine Bewunderung. Und wenn mich abends noch das am Morgen Gelesene beschäftigt, dann ist es schon mehr als bloße Bewunderung. Entsprechende Seite bekommt jetzt ein Eselsohr.
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